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Aktuelle Ausstellung

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LOTTY ROSENFELD: ESTA LÍNEA ES MI ARMA

21. SEPTEMBER 2025 – 25. JANUAR 2026

Die Ausstellung LOTTY ROSENFELD: ESTA LÍNEA ES MI ARMA ist die erste große Werkschau ihrer Arbeit im deutschsprachigen Raum. Sie vereint Archivmaterial, Dokumentationen von Performances, frühe Installationen und bisher unveröffentlichte Werke. Sie zeichnet den Lebensweg einer Künstlerin nach, die zwischen Vertreibung und Widerstand, Auslöschung und Zeichen lebt.

Exilantin, Feministin, Stadtchoreografin, politische Aktivistin und Konzeptkünstlerin – Lotty Rosenfeld wurde 1943 in Santiago de Chile in eine Familie geboren, deren Geschichte von Flucht und dem Kampf ums Überleben geprägt war. Ihr Vater, Ernst Rosenfeld, verließ 1935 Nazi-Deutschland als Teil der ersten Welle jüdischer Flüchtlinge, die in Lateinamerika Sicherheit suchten. Ihre Großeltern, Rudolf und Charlotte Rosenfeld, die einst das Hotel Rom in Breslau besaßen, überlebten in Sibirien und kamen nach dem Krieg nach Chile. Im Exil baute die Familie Rosenfeld in Santiago ein neues Leben auf – und ein Café –, das auf Erinnerungen an ihr Leben in Europa gründete.
Aufgewachsen im Schatten des Traumas des Holocaust und inmitten der Widersprüche des Nachkriegs-Chile, entwickelte sich Rosenfeld zu einer Künstlerin, die nicht nur die vorherrschenden politischen Systeme, sondern auch die Grammatik des Alltagsraums in Frage stellte. Ihre Praxis entstand auf dem Höhepunkt der Pinochet-Diktatur, als öffentliche Proteste strafbar waren und staatliche Gewalt zur Normalität geworden war. Vor diesem turbulenten Hintergrund beanspruchte Rosenfeld die Straße sowohl als Medium als auch als Botschaft.
Im Jahr 1978 schuf Lotty Rosenfeld ein unbetiteltes Werk, das auf einer historischen Fotografie von Jonas Daniël Meijerplein in Amsterdam im Februar 1941 basiert, dem Ort einer der frühesten Massenverhaftungen von Juden durch die Nazis in Westeuropa. Diese aufgeladene Schwarz-Weiß-Fotografie wurde zur Kulisse einer der ersten künstlerischen Interventionen von Rosenfeld. Anstatt das Bild als statische historische Aufzeichnung zu verwenden, unterzog sie es einer Reihe von Veränderungen – sie schnitt, bearbeitete und perforierte die Oberfläche. In diesen frühen Bildmanipulationen tritt zum ersten Mal Rosenfelds bekanntestes Motiv, die weiße Linie, auf. Obwohl sie noch innerhalb des Rahmens eines Archivbildes enthalten ist, durchschneidet dieser scheinbar einfache horizontale Einschnitt die in der Fotografie festgehaltenen Figuren und Handlungen. Die Linie unterbricht die visuelle Logik staatlicher Kontrolle – eine kleine, aber kraftvolle Geste, die einer Szene der Dominanz aufgezwungen wird.
Ein Jahr später begann Rosenfeld ihre ikonische Werkserie, Una milla de cruces sobre el pavimento (Eine Meile Kreuze auf dem Bürgersteig). Mit weißem Klebeband und einer tragbaren Schablone verwandelte sie die Linien, die den Verkehr regeln, in Kreuze, in Plus- und Minuszeichen des Bruchs und der Verweigerung. Sie bezeichnete dies als „symbolischen Akt des Ungehorsams“, den sie im Laufe ihrer Karriere vor verschiedenen Machtzentren vollzog, darunter der Palacio Presidencial La Moneda, das Weiße Haus, die Atacama-Wüste, die chilenische Börse in Santiago und die deutsch-deutsche Grenze. Diese Werke – vergänglich und ortsspezifisch – griffen genau dort ein, wo Körper ausgelöscht und Bedeutungssysteme vorgeschrieben worden waren.
Im Jahr 1979 wurde Rosenfeld Mitbegründerin des Colectivo Acciones de Arte (CADA), wo sie sich mit Dichter:innen, Soziolog:innen und Künstler:innen zusammenschloss, um Kunst als soziale Intervention neu zu definieren. Ihre Ästhetik war minimalistisch, ihre Politik jedoch expansiv – Kunst war für sie eine Waffe. So stempelte sie auf die Rückseite einiger Fotografien: „Esta línea es mi arma“ („Diese Linie ist meine Waffe“).


  Kuratiert von Paula Kommoss


PROGRAMM ZUR AUSSTELLUNG


ERÖFFNUNG

Samstag, 20. September

  17 Uhr Eröffnung, Overbeck-Gesellschaft
   Begrüßung Christian Klawitter, Vorstandsvorsitzender
   Einführung Paula Kommoss, Direktorin

Donnerstag, 11. September

   18 Uhr The Sound of the Lotty Rosenfeld Archive,
   im Overbeck-Pavillon
   mit Alejandra Coz Rosenfeld
   auf Englisch

Film still: Lotty Rosenfeld, Esta línea es mi arma, 1985

Film still: Lotty Rosenfeld, Esta línea es mi arma, 1985

Vermittlungsprogramm O

Vermittlungsprogramm O

Das neue Programm O der Overbeck-Gesellschaft, lädt ein – gemeinsam zu hören und zuzuhören. Das Format O bietet einen Rahmen für das gemeinsame Erleben und Reflektieren von Öffentlichkeit, unserer Gesellschaft und Musik. Durch Listening Sessions, Performances, Konzerte und Gesprächsformate soll ein Raum des Austausches geschaffen werden, in dem neues Wissen geteilt und generiert wird.

Zuhören wirkt als transformative Kraft: Es kann Türen öffnen, Halt geben, unterstützen und begleiten. Es erlaubt den Ausbruch aus starren Mustern und ermöglicht tiefe Freundschaften. Dennoch bleibt Zuhören in der Gesellschaft oft unterschätzt und vernachlässigt, obwohl es eine zentrale Rolle für das Miteinander spielen könnte.

Das Programm O folgt der Überzeugung, dass zeitgenössische Kunst einen einzigartigen Reflexions- und Erfahrungsraum bietet. International orientiert, mit Blick auf lokale Ortsspezifika, möchte die Overbeck-Gesellschaft in enger Zusammenarbeit mit eingeladenen Künstler:innen, Musiker:innen, Akteur:innen und Wissenschaftler:innen ebensolche partizipativen und kollektiven Räume des offenen Austauschs entstehen lassen.


TERMINE

  VORSCHAU

Donnerstag, 11. September, 18 Uhr

  Overbeck-Pavillon, Königstraße 11, 23552 Lübeck
  Mit Alejandra Coz Rosenfeld
Listening Session mit Alejandra Coz Rosenfeld, Tochter der chilenischen Künstlerin Lotty Rosenfeld.
Diese Begegnung ist mehr als ein Hörerlebnis – sie lädt ein, gemeinsam zu erinnern, zu spüren, zu verstehen.
Lotty Rosenfelds Werk entstand im Schatten der Pinochet-Diktatur. Inmitten von Repression und Gefahr schuf sie künstlerische Räume des Widerstands – Orte, an denen Kunst, Musik und Gespräche ineinandergriffen. An diesem Abend führt Alejandra in die Klangwelt ihrer Mutter.
Zu hören sind Kassetten und Platten aus Rosenfelds Archiv: Musica Libre, Nina Simone, Violeta Parra, Ravi Shankar, Chile entre dolor… y la Esperanza – Musik, die Trost spendete, Kraft gab und eine widerständige Gemeinschaft verband. Alejandra Coz Rosenfeld teilt persönliche Erinnerungen und Gedanken. Die Musik wird zum Träger von Geschichten – über Hoffnung, Verlust und den Mut, künstlerisch zu handeln.Zuhören wird zur politischen Geste. Eine kollektive Erfahrung, in der sich Biografie, Klang und Geschichte verschränken.

Mittwoch, 24. September, 18 Uhr

  Overbeck-Pavillon, Königstraße 11, 23552 Lübeck
  Mit Eric Otieno Sumba
In BOLOGNESE (die Playlist) hat Eric Otieno Sumba 2018 den Soundtrack eines italienischen Sommers dokumentiert und seither täglich in seiner Hosentasche mitgenommen. Auf der Via Zamboni kamen vor sieben Jahren insgesamt 51 Menschen Eric Otieno Sumbas Einladung nach, ein Lied für die Playlist beizutragen. So entstand die vermutlich einzige Stadtplaylist Bolognas. Die Liste der Tracks ist etwas durcheinander, aber 100% Bolognese, inzwischen ein Relikt aus der Zeit, wo Playlists liebevoll selbst erstellt wurden. Das Ergebnis kann sich hören lassen in dieser Listening-Session, unterstrichen von Anekdoten über das Entstehen des Playlists und soziologische Prognosen über die Zukunft einer Kulturtechnik.

  RÜCKBLICK

Donnerstag, 3. Juli, 18 Uhr

  Overbeck-Pavillon, Königstraße 11, 23552 Lübeck
  Mit Cordula Ditz
In PAROLE TRIXI spricht Cordula Ditz über Musik, künstlerische Prozesse und Erinnerungskultur. Im Mittelpunkt stehen ihre Erfahrungen als Musikerin in der Hamburger Szene der 1990er Jahre, die kreative Arbeit in Bands – und wie diese Zeit ihre spätere künstlerische Praxis beeinflusst hat.

Donnerstag, 10. Juli, 18 Uhr

  Overbeck-Pavillon, Königstraße 11, 23552 Lübeck
  Mit Elisaveta Braslavskaja
In einer LISTENING SESSION bringt Elisaveta Braslavskaja persische Lieder aus ihrem persönlichen Archiv mit: Songs, mit denen sie aufgewachsen ist und die sie heute begleiten. Diese Musik ist für sie an familiäre Räume gebunden – an Zuhause, an Verwandtschaft, an geteilte Momente. Umso bedeutender wurde für sie das Teilen dieser Klänge mit Freunden.

Donnerstag, 31. Juli, 18 Uhr

  Overbeck-Pavillon, Königstraße 11, 23552 Lübeck
  Mit Christian Naujoks
In ALWAYS ALREADY FRACTURED bringt Christian Naujoks Klänge an die Oberfläche, die zugleich vertraut und zerbrechlich wirken: Tropfgeräusche, akustische Signale, normierte Sounds – sie werden gedehnt, verschoben, in andere Kontexte versetzt. Diese Klänge, die an alltägliche Räume gebunden scheinen, werden zu Fragmenten, die uns neu hören lassen. Ausgehend von persönlichen Erfahrungen mit Hörveränderungen und Tinnitus, lädt Naujoks ein, das Hören nicht als neutrales Erfassen zu verstehen, sondern als verletzliche, geteilte Praxis. Ein Zustand, der Resonanz schafft: zwischen Selbst und Anderen, zwischen Innen und Außen.

Samstag, 30. August, 14 Uhr

  Overbeck-Pavillon, Königstraße 11, 23552 Lübeck
  Mit Nadia Perlov und Lia Chen Perlov
In JARDIN J’ADORE verbinden Lia und Nadia Perlov barocke Cello-Klänge mit Gesten der Übertreibung, choreografischer Strenge und theatraler Offenheit. Zwischen formalen Gärten, historischen Referenzen und plastischer Bühnensprache entfaltet sich ein Raum, in dem Schönheit und Ordnung ins Wanken geraten.
Ausgehend von barocken Kompositionen und der Ästhetik höfischer Kultur, untersuchen die Künstlerinnen, wie sich Struktur, Macht und Erinnerung in Körper, Klang und Landschaft einschreiben. Die Performance wirkt wie ein Echo vergangener Ideale – und zugleich wie deren Störung.
JARDIN J’ADORE lädt dazu ein, künstlerische Formen nicht nur als Ausdruck von Kultivierung, sondern auch als Mittel der Kontrolle zu begreifen – und neu zu befragen.

Über Die Overbeck-Gesellschaft

Über Die Overbeck-Gesellschaft

Die Overbeck-Gesellschaft versteht sich als ein Ort, an dem aktuelle Tendenzen und Entwicklungen der zeitgenössischen Kunst eine Plattform erhalten und zur Diskussion gestellt werden. Sie bietet Raum für Experimente und bewegt sich dabei in Bereichen des Unbekannten und Neuen. Dabei wird der Dialog zwischen lokalen und internationalen Diskursen angestoßen und zugleich Verbindungen zwischen Kunst, Gesellschaft und verschiedenen Öffentlichkeiten geschaffen. 

Seit ihrer Gründung widmet sie sich die Overbeck Gesellschaft 1918 satzungsgemäß der „Pflege der bildenden Kunst, insbesondere durch Veranstaltung von Kunstausstellungen“. Ihre Gründung stand in direktem Zusammenhang mit dem neuen Bewusstsein einer demokratischen Volksbildung nach dem 1. Weltkrieg. 

Benannt nach dem in Lübeck geborenen Maler Johann Friedrich Overbeck (*1789 – †1869 in Rom) und getragen vom bürgerlichen Engagement seiner Mitglieder dient der Lübecker Kunstverein bis heute als Plattform für die kritische Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Formen der bildenden Kunst. Seit 1930 steht dem Verein dafür ein eigenes Ausstellungsgebäude zur Verfügung. Auf Initiative des Direktors der Lübecker Museen Carl Georg Heise finanzierte und baute die Overbeck-Gesellschaft den Overbeck-Pavillon im Garten des Museums Behnhaus-Drägerhaus nach Plänen des Lübecker Architekten Wilhelm Bräck. 

Mit über 300 Ausstellungsinstitutionen gelten die Kunstvereine als wichtigste Kunstvermittlungsplattform in Deutschland. Mit 100.000 Mitgliedern und einem Publikum jeder Herkunft und Region sind sie das bürgerschaftliche Rückgrat der Gegenwartskunst und haben sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Motor der experimentellen Kunstproduktion in einer weltweit einmaligen Vielfalt entwickelt. Wenn Sie mehr über Kunstvereine und ihre Arbeit erfahren möchten, besuchen Sie gerne die Webseite des Dachverbandes: ADKV⁠(wird in einer neuen registerkarte geöffnet).

Idee und Praxis der Kunstvereine wurden im März 2021 in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Deutschen UNESCO-Kommission aufgenommen. 

Overbeck-Pavillon Richtfest, 1930

Overbeck-Pavillon Richtfest, 1930

Werde Mitglied

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Der Kunstverein Lübeck startet in eine neue Phase – wir freuen uns sehr, im nächsten Jahr ein vielfältiges Programm mit internationalen Ausstellungen, Listening Sessions, Workshops und Performances in ganz Lübeck präsentieren zu können. Der Kunstverein lädt dazu ein, zusammenzukommen, zusammenzuarbeiten, zu diskutieren und gemeinsam zu erleben – an unerwarteten und vertrauten Orten, mit neuen Perspektiven. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung.


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Telefon +49 451 74760

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Do-So, 12-17 Uhr

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